Im Gespräch: „Einmal im Leben Weiterbildung r...
Im Gespräch

„Einmal im Leben Weiterbildung reicht nicht mehr!“

Nicole Gaiziunas, Gründerin und Geschäftsführerin der XU Group GmbH in Berlin
Nicole Gaiziunas, Gründerin und Geschäftsführerin der XU Group GmbH in Berlin

Die Corona-Krise hat ein Schlaglicht auf unsere digitale Bildungslandschaft geworfen – und die Defizite sind erschreckend, meint Nicole Gaiziunas: Von Datenanalyse bis zu Collaboration-Tools fehlen Kenntnisse, die jetzt schon in vielen Ländern Standard sind. Doch gezielte und konsequente Weiterbildung kann die Lücken schließen: Um Medien- und Werbeprofis zu schulen, hat sie deshalb die XU HORIZONT School of Digital Marketing and Social Media initiiert.

Frau Gaiziunas, kaum kam Corona, saßen wir gefühlt alle im Homeoffice, tauschten Daten miteinander und trafen uns in virtuellen Meetings. Steht es denn um unsere digitalen Kompetenzen wirklich so schlimm?

Die Krise wirkte wie ein Turbo, vieles wurde schnell improvisiert und funktionierte halbwegs – aber der Abstand zu wichtigen Wettbewerbern wie China, den USA oder auch zu den nordischen Nachbarn ist klar zutage getreten. Die digitalen Defizite zeigen sich hier nicht nur in der Infrastruktur, sondern vor allem in der digitalen Kompetenz und dem dazugehörenden Mindset ihrer Menschen. Ist beispielsweise schon bei allen Beschäftigten in der stolzen deutschen Automobilindustrie im Bewusstsein angekommen, warum heute „Software First“ gilt und was das bedeutet? Mit Sicherheit nicht.

Beim Thema Bildungsdefizite rufen viele reflexartig nach dem Staat – ist denn die Politik aufgewacht?

Ja, der Staat hat auf die Corona-Krise gut reagiert, die immense Herausforderung ist erkannt worden, und die Weichen wurden richtig gestellt. So ist im Sommer zum Beispiel erstmals eine nationale Weiterbildungsstrategie entwickelt worden, was sich langfristig auszahlen wird. Sofort und für jeden einzelnen greifbar ist hingegen das Arbeit-von-morgen-Gesetz: Dadurch werden bis zu 100 Prozent der Weiterbildungskosten staatlich finanziert – eine ideale Chance, sich insbesondere während Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit digital zu qualifizieren.

„Wenn einfach nur eine Plattform eingekauft wird und man sagt zur Belegschaft „Jetzt fangt mal eigenständig an zu lernen!“, geht es schief.“
Nicole Gaiziunas

Wer ist jetzt am Zug: Der Arbeitnehmer oder der Arbeitgeber?

Die Weiterbildung muss von der Personalabteilung angestoßen werden, denn nur das Unternehmen weiß, welche Qualifikationen es auf mittlere Sicht benötigt. Dafür sollte ein entsprechendes Portfolio an Weiterbildungsmaßnahmen entwickelt werden und – ganz wichtig! – geeignete Lernformate. Wenn einfach nur eine Plattform eingekauft wird und man sagt zur Belegschaft „Jetzt fangt mal eigenständig an zu lernen!“, geht es schief.

Wodurch zeichnen sich Ihre Programm-Angebote aus?

Unsere Weiterbildungsstrategie setzt nicht auf einzelne, völlig eigenständige Module, sondern auf einen erkennbaren Lernpfad. Auf ihrem Weg lassen wir die Lernenden nicht allein, sondern begleiten sie fortwährend durch Mentoren und Coaches. Zudem gibt es regelmäßig Treffen mit anderen Lernenden, um sich auszutauschen. Zurzeit natürlich nur virtuell, hoffentlich im kommenden Jahr auch wieder zusätzlich über Präsenztreffen an zentralen Orten überall in Deutschland.

Mit der XU Group fokussieren Sie sich auf wenige, klar umrissene Themenfelder. Wie haben Sie diese ausgewählt?

Wir sind mit unserem Experten- und Partnernetzwerk weltweit unterwegs und beraten internationale Unternehmen. So erhalten wir aus erster Hand einen fundierten Überblick über neue globale Bildungstrends – vor allem aber über die digitalen Kompetenzen, die auf dem Arbeitsmarkt in Zukunft gefragt sein werden. Daraus leiten wir Cluster zu Themenschwerpunkten ab, wie beispielweise „Digital Health“, weil hierzulande künftig auch Pfleger und Ärzte digital fit sein müssen, oder „Coding und Software Engineering“, da in diesem Bereich bereits jetzt schon 200.000 Stellen zu besetzen sind.

Mit „Digital Marketing und Social Media“, den Sie gemeinsam mit dem Fachmedium HORIZONT konzipiert haben, ist ein neuer Bereich dazugekommen. Worauf beruht diese Initiative?

Alle Agenturen und Verlage verschieben derzeit ihre Angebote noch stärker in Richtung digitale Produkte und Services. Das hat unmittelbare Auswirkungen auf das Marketing, wo schon heute händeringend Digital Marketers gesucht werden. Deren DNA ist digital und nicht mehr Print, und wer allein auf klassische Werbung und gedruckte Medien geeicht ist, wird beruflich recht bald unter die Räder kommen. Auf die vehemente Wende hin zu digitalen und speziell den sozialen Medien muss sich jeder Marketing-Mitarbeiter, aber auch jedes Unternehmen der Werbe- und Medienbranche zeitnah einstellen.

Wie kann ich meine digitalen Bildungsdefizite erkennen – und wie die Lücken schließen?

Zunächst müssen die vorhandenen Kenntnisse taxiert werden, um darauf aufbauen zu können. Dies geschieht bei uns durch einen „Digital Readiness Check“, der online etwas 35 Minuten dauert. Dabei werden Wissen, Qualifikationen und Handlungsfähigkeit getestet, und zwar mit unterschiedlichen Fragetypen. Das Ergebnis ist ein Spider-Diagramm, aus dem sich zum Beispiel bei Digital Marketing ablesen lässt, ob ich etwa im Bereich Marketing Technologies and Analytics nur 30 Prozent der benötigten Kenntnisse aufweise, im Bereich Plattformen jedoch 60 Prozent und im Bereich SEA bereits 85 Prozent. Exakt zum jeweiligen Bildungsstand werden dann Kurse – entweder Basic, Advanced oder Expert – aufgesetzt, so dass sich ein ganz individuell abgestimmtes, spezifisches Qualifizierungsprogramm ergibt.

Macht es einen Unterschied, ob ich die Weiterbildung privat oder über die Firma plane?

Sämtliche unserer Kurse sind vom TÜV Nord zertifiziert und erfüllen die Bedingungen für die staatliche Förderung, unter anderem 120 Zeitstunden, geprüfte Experten und Prozesse sowie Abschluss mit Zertifikat. Im Fall von Kurzarbeit, bei drohendem Jobverlust oder Arbeitslosigkeit können daher bis zu 100 Prozent der Kosten durch die Bundesagentur für Arbeit übernommen werden. Das gilt gleichermaßen für Unternehmen wie Einzelpersonen, nur der Beantragungsweg unterscheidet sich. Wenn ein Unternehmen für mindestens 25 Mitarbeiter Weiterbildung plant, erstellen wir allerdings ein Angebot, das auf den individuellen betrieblichen Bedarf zugeschnitten ist.

Wenn Sie in die Zukunft blicken: Wie viel Weiterbildung braucht jeder von uns künftig?

Ich glaube, dass wir kontinuierlich dranbleiben müssen. Das ist genau der Shift im Mindset, den wir benötigen: Nicht einmal weiterbilden, sondern permanent lernen! Wenn wir das als Gesellschaft verinnerlichen, wird sich der Vorsprung anderer Nationen zumindest nicht vergrößern.




Zur Person: 
Nicole Gaiziunas ist Gründerin und Geschäftsführerin der XU Group GmbH in Berlin und auf die Entwicklung von innovativen, praxisnahen Weiterbildungsprogrammen zum Aus- und Aufbau neuer digitaler Zukunftskompetenzen spezialisiert. Dazu zählt die gemeinsam mit der dfv Mediengruppe initiierte XU HORIZONT School of Digital Marketing and Social Media. Die renommierte Bildungs- und Digitalexpertin ist zudem Mitinitiatorin der XU Exponential University in Potsdam, Deutschlands erster staatlich anerkannter Hochschule mit Fokus auf Digitalisierung und neue Technologien.



XU Horizont School of Digital Marketing and Social Media
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Im Fokus der XU HORIZONT School of Digital Marketing and Social Media steht die berufliche Weiterbildung von Beschäftigten der Kommunikations- und Marketingwirtschaft. Die Branche und ihre Mitarbeitenden können sich mit den Qualifizierungsprogrammen schnell und effizient in den neuesten digitalen Kompetenzen und Technologien rund um Digital Marketing und Social Media fit machen - Abschlusszertifikat inklusive. Alle Programme sind vom TÜV Nord AZAV-zertifiziert und somit durch die Bundesagentur für Arbeit bis zu 100 Prozent förderfähig. Die XU HORIZONT School of Digital Marketing and Social Media ist eine Kooperation der XU Group und der dfv Mediengruppe.
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