Im Gespräch mit Dr. Stefan Söhngen: „Relation...
Im Gespräch mit Dr. Stefan Söhngen

„Relationing ist das bessere Netzwerken“

© Privat
Dr. Stefan Söhngen, Buchautor und Managing Partner der R3LATION GmbH
Dr. Stefan Söhngen, Buchautor und Managing Partner der R3LATION GmbH

Wer von uns geht gern auf Veranstaltungen, wo man niemanden kennt, zu Themen, die einen bislang kaum interessierten? Viele Alternativen drängen sich auf, und so gilt es, einen harten Kampf mit dem inneren Schweinehund zu führen.

Doch der Aufwand lohnt, findet Dr. Stefan Söhngen, Managing Partner der R3LATION GmbH und Gründer der „Montagsgesellschaft“: Denn gerade die unkalkulierbaren Kontakte legen die Basis für einen wahren Beziehungsschatz – weit wertvoller als das Ergebnis streberhaften Netzwerkens, meint der Co-Autor des Buches „Erfolg durch Relationing“.

Herr Söhngen, früher lernte man Leute einfach kennen, dann kam der Begriff Networking auf, und jetzt prägen Sie den Ausdruck Relationing: Wo genau liegt der Fortschritt?

Relationing ist zuächst einmal ein schöneres Wort, die Menschen verstehen es und verwenden es nach drei Minuten auch selbst. Relevanter aber ist der inhaltliche Unterschied: Das Netzwerk ist lediglich die Summe an Kontakten. Wenn Kontakte mit Zeit und Energie ausgebaut werden, entsteht Vertrauen, durch Vertrauen wiederum entwickelt sich eine Beziehung. Und nur auf Basis einer Beziehung, so das Credo von Horst Persin und mir in unserem Buch, kommt man miteinander nachhaltig ins Geschäft.

In vor-digitaler Zeit war die Zahl der Bekanntschaften begrenzt, und „Vitamin B“ wurde eher verschämt genutzt. Hat sich nicht nur die Technik, sondern auch der Mensch gewandelt?

In der Tat ist hier eine interessante Wechselwirkung festzustellen: Die technische Entwicklung, speziell die Verbreitung und Akzeptanz von Social Media, hilft beim Aufbau und Halten von Beziehungen. Für die Vertiefung ist die parallele Nutzung digitaler Kanäle zu beruflichen und privaten Zwecken relevant – wer Urlaubsfotos postet oder kommentiert, fühlt sich dem anderen vertrauter als beim Austausch rein dienstlicher Informationen. Das wiederum senkt die Hemmschwelle, eine Beziehung auch tatsächlich zu
nutzen.

„Relationing ist ja gerade deshalb so spannend, weil ich eben nicht jeden Kontakt vorher taxiere, sondern mich auf überraschende Begegnungen einlasse.“
Dr. Stefan Söhngen

Sie nennen Beziehungen eine „seriöse Kapitalanlage“. Was macht sie seriös?

Durch Relationing, also durch die gezielte Investition von Zeit und Energie in den Ausbau von Kontakten, werden diese kalkulierbar. Sofern der Input strukturiert erfolgt – beispielsweise mittels einer To-do-Liste, in der ich zu besuchende Veranstaltungen und attraktive Themengebiete festlege – lässt sich der Output mit der Zeit ziemlich genau, also seriös, abschätzen...

...aber doch kaum der Ertragwert einer einzelnen Beziehung?

Nein, das ist nicht möglich und auch nicht sinnvoll, weil es dem überholten Netzwerken-Ansatz entspräche. Relationing ist ja gerade deshalb so spannend, weil ich eben nicht jeden Kontakt vorher taxiere, sondern mich auf überraschende Begegnungen einlasse: Wen treffe ich wohl auf der Diskussionsveranstaltung zur „Neugestaltung der Altstadt“: Einzelhändler, Künstler, Banker, Architekten? Wer bewusst über seinen Tellerrand schaut, baut einen wahren Beziehungsschatz auf.

Das dürften viele bezweifeln und denken: Da gehe ich doch lieber zu einer Fachveranstaltung!

Stimmt, denn unnötigen Aufwand zu vermeiden, haben wir in den letzten zwei Jahrzehnten als ökonomische Kardinaltugend verinnerlicht. Doch diese Haltung ist auf kurzfristigen Erfolg ausgerichtet und basiert auf planbaren Berufswegen. Da unsere Geschäftswelt sich aber massiv und immer schneller wandelt, ist es langfristig sinnvoller, sich breiter aufzustellen. Warum es in einer bestimmten Situation zu einem bestimmten Zeitpunkt sinnvoll war, sich mit genau dieser Person auseinanderzusetzen, zeigt sich oft sehr viel später.

Sie führen in Ihrem Buch zehn Attribute eines erfolgreichen Relationings auf. Welche Eigenschaften sind Ihrer Erfahrung nach von zentraler Bedeutung?

Empathie und Kontaktfreudigkeit bilden fraglos eine besonders gute Basis für das Ansprechen wildfremder Menschen, doch schon allein mit Konzentration und Allgemeinwissen lässt sich in der Regel ein unkomplizierter Einstieg finden, zumal nach einer Diskussionsrunde oder Exkursion der erste Gesprächsstoff auf der Hand liegt. Für das anschließende Vertiefen des Kontaktes ist ein zielorientiertes Vorgehen wichtig: Posten Sie zum Beispiel ihre Eindrücke von einer Veranstaltung oder einem Treffen und verankern Sie so persönliche Erinnerungspunkte in den Köpfen ihrer neuen Bekannten. Schließlich: Seien Sie aufmerksam und registrieren Sie nicht nur berufliche oder private Ereignisse, an denen Sie etwa über Social Media teilhaben, sondern reagieren Sie: Gratulation, Kommentar oder Nachfrage zeigen ernsthaftes Interesse an einer Person und fördern so das Vertrauen zueinander.

Wer es ernsthaft betreibt, wird also immer mehr Zeit in immer mehr Beziehungen investieren – wie finde ich die Motivation, um diesen stetig steigenden Aufwand zu bewältigen?

In der deutschen Mentalität ist das „Yes, but“ stark verankert: Wir listen vorab akribisch auf, was alles dagegen spricht, und entscheiden uns dann dagegen. Ich plädiere für den angelsächsischen Ansatz „Why not?“: Warum eigentlich nicht einmal ausprobieren, wie weit mich diese Methode bringt? Wer sich darauf einlässt, wird in jedem Fall reich belohnt werden, und das meine ich nicht in erster Linie geschäftlich. Denn am Ende geht es darum, persönlich zufrieden zu sein.

Das Buch
Relationing
© dfv


Stefan Söhngen/Horst Persin

Deutscher Fachverlag GmbH
1. Auflage 2020 │ 168 Seiten │ s/w, Paperback
ISBN 978-3-86641-334-4 │34,- €

Erscheinungstermin 21.09.2020,
ab sofort bestellbar

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